Die Kunsthalle bietet zur Zeit zwei Ausstellungen, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte: Eva Hesse “One more than one” und GEGO “Line as Object”. Die gemeinsame Ausstellung macht Sinn, denn es gibt einiges an Gemeinsamkeiten: Beide wurden in Hamburg geboren, beide waren Jüdinnen, beide mussten ihre Heimat in der Zeit des Nazionalsozialismus verlassen, beide fanden ihren künstlerischen Ausdruck in der Schaffung von Objektkunst.
The Kunsthalle offers two wonderful exibitions at the moment: Eva Hesse “One more than one” and GEGO “Line as Object”. It makes perfect sense to have both exibitions at the same time, because these artists have some similarities: Both were born in Hamburg, both were Jewish, both had to leave their hometown in the dark time of National Socialism and both found their artistic expression in the creation of object art.
Eve Hesse, geboren 1936, starb 1970 an einem Hirntumor. Trotzdem ist es ihr gelungen, ein umfangreiches Werk zu hinterlassen, das bis heute beeindruckt und nachfolgende Künstler beeinflusst. Sie gilt als eine der herausragendsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts und es hat, spätestens seit sie ihrer ersten Einzelausstellung als Objektkünstlerin in der Fischbach Gallery in New York hatte, kein einziges Jahr gegeben, in dem es nicht irgendwo auf der Welt mindestens eine Ausstellung ihrer Werke gab.
Trotzdem ist “One more than one” die erste Werkschau in ihrer Heimatstadt, die sie bereits als Zweijährige verlassen musste. Eva Hesses Schwester Helen, die mit ihr gemeinsam mit einem Kindertransport ihre Heimat verlassen musste, war zur Ausstellungseröffnung in Hamburg. Sie betonte, wie wichtig ihr diese Ausstellung in dieser Stadt sei.
Einen Tag später wurde am ehemaligen Wohnhaus der Familie in der Isestraße 98 eine Gedenktafel für Eva Hesse enthüllt.
Rechts sehen Sie Eva Hesse auf einer Aufnahme von 1959 (Photo: Stephen Korbet, © The Estate of Eva Hesse. Courtesy Hauser & Wirth)
Auf dem linken Foto Hellen Hesse zwischen den beiden Kuratorinnen und Leiterinnen der Galerie der Gegenwart Dr. Brigitte Kölle und Dr. Petra Roettig.
Die Ausstellung konzentriert sich auf 60 Exponate, die sie in der Phase ab 1966 bis zu ihrem frühen Tod 1970 geschaffen hat. 1964/65 verbrachte sie auf Einladung des deutschen Sammlerehepaares Scheidt gemeinsam mit ihrem Mann, dem Bildhauer Tom Doyle, in Kettwig an der Ruhr. Sie entdeckte in einer Textilfabrik Materialien, die sie zu dreidimensionalen Werken inspirierten. Zurück in New York ging sie in den Werkstätten und Baumärkten in der Nähe ihres Ateliers auf die Suche nach weiteren interessanten Materialien, sie arbeitete unter anderem mit Glasfaser, Polyesterharz und Aluminiumdraht. Wie damals üblich, arbeitete sie ohne Maske. Die Frage, ob diese oft gesundheitsgefährdenden Stoffe für ihren frühen Tod verantwortlich sind, kann nicht mehr beantwortet werden.
“Ich hätte das Werk gerne als Nicht-Werk. …Es ist etwas, es ist nichts.” Eva Hesse, 1968
Ihre dem Minimalismus nahestehende Kunst ist sinnlich, körperlich und persönlich. Wer sich auf die Objekte einlässt, wird gebannt – eine besondere Erfahrung.
Gezeigte Werke:
1. “No title” 1970
2. “One more than one” 1967
3. Accretion” 1968
GEGO
Gertrud Loise Goldschmidt, genannt GEGO, wurde 1912 in Hamburg geboren und starb 1994 in Caracas. Hier ist sie erstaunlicherweise noch nicht sehr bekannt, aber in Lateinamerika gehört sie zu den bedeutendsten Künstlerinnen.
GEGO kam spät zur Kunst, in den 30er Jahren studierte sie erst einmal Architektur an der Technischen Hochschule in Stuttgart. 1939 emigrierte sie nach Caracas und arbeitete dort als Architektin und Möbeldesignerin. Sie heiratete und bekam zwei Kinder.
Erst im Alter von über 40 Jahren wandte sie sich der Kunst zu und malte Aquarelle. Später fing sie an, filigrane, aber raumgreifende Objekte zu schaffen, die den Betrachter mit ihrer luftigen Struktur und den durch Licht und Luft hervorgerufenen Veränderungen faszinieren und trotzdem Ruhe ausstrahlen.
Wie auch bei der Ausstellung von Eva Hesse gelang es den Kuratorinnen, auch durch die tatkräftige Unterstützung der Familienangehörigen beider Künstlerinnen, Exponate aus der ganzen Welt auszuleihen. So ist es eine einmalige Gelegenheit, sich das Werk von GEGO in dieser Fülle – rund 120 Skulpturen und Zeichnungen aus fast 40 Jahren und allen Werkphasen der Künstlerin – anzuschauen.
Die Linie war ihr grundlegendes gestalterisches Element, auch wenn sie kleinere Objekte, Aquarelle oder Zeichnungen schuf. Und auch wenn die Architektin immer spürbar war, sagte sie “Skulptur: aus festen Stoffen körperhafte Gebilde. So etwas mache ich nie!”
Auch am Elternhaus von GEGO in der Heilwigstraße 40 wurde im Beisein ihrer Tochter eine Gedenktafel angebracht.
Photo of GEGO: Gego during installation of Reticulárea. Museo de Bellas Artes, Caracas 1969, Juan Santana © Fundación Gego
Eva Hesse. One more than one – GEGO. Line as object
Hamburger Kunsthalle, Galerie der Gegenwart
29.11. 2013 – 2.3. 2014
www.hamburger-kunsthalle.de
Herrlicher Einblick in die Werkschau so toller Frauen.